Kategorie-Archiv: Verkehrsrecht

Verkehrsunfall – Was zu tun ist

Jeder Verkehrsteilnehmer kann – ob durch eigenes Verschulden oder die Schuld eines anderen – in einen Verkehrsunfall verwickelt werden. Wer in eine solche Situation gerät, steht vor der Frage, ob er sich wegen der Regulierung des Schadens selber mit der Versicherung des Unfallgegners auseinandersetzen soll oder ob er den Fall einem Rechtsanwalt „übergeben“ soll.
Gerade wenn das Verschulden eindeutig auf Seiten des Unfallgegners liegt, wird der Geschädigte nicht selten erleben, dass er innerhalb weniger Tage Post von der Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners bekommt. In dem Brief wird er mehr oder weniger direkt aufgefordert, wegen des Unfalls keinen Rechtsanwalt einzuschalten.
In dem Schreiben wird der Eindruck erweckt, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts im Grunde genommen „überflüssig“ wäre, da sich die Versicherung selber um alles kümmere. Die Versicherung tritt gewissermaßen als „Partner“ des Geschädigten bei der Unfallregulierung auf, der schnelle und unbürokratische Hilfe verspricht. Zum Teil werden daneben aber auch „versteckte“ Drohungen ausgesprochen: Durch die Einschaltung eines Anwalts könnte sich die Regulierung des Schadens unter Umständen sogar verzögern, auch könnte die Versicherung nicht garantieren, dass die entstehenden Rechtsanwaltskosten von ihr auch übernommen würden etc.
Nicht alle, aber ein Teil der Versicherungsgesellschaften versuchen inzwischen, auf diese Weise frühzeitig Einfluss auf den Geschädigten zu nehmen mit dem von der Beauftragung eines Rechtsanwalts abzuhalten. Der Sinn dieser Bemühungen der Versicherungen wird verständlich, wenn man sich vor Augen Ziel, ihn hält, dass die Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit einer Unfallregulierung Teil des Schadensersatzanspruches des Geschädigten sind. Mit anderen Worten:
Soweit die Versicherung des Unfallgegners Schadensersatz zu leisten hat (weil der Unfall ganz oder teilweise von ihrem Versicherungsteilnehmer verschuldet wurde), hat sie auch die Kosten des von dem Geschädigten mit der Regulierung des Schadens beauftragten Rechtsanwalts zu übernehmen. Die Übernahme dieser Kosten steht auch nicht im Ermessen der Versicherung, sondern ist eine schadensersatzrechtliche Verpflichtung.
Es liegt also zweifellos im Interesse der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, wenn sich der Geschädigte nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt, sondern seinen Schaden stattdessen selber reguliert. Eine ganz andere Frage ist freilich die, ob die Unfallregulierung ohne Rechtsanwalt auch im Interesse des Geschädigten liegt.
Unfallregulierung ohne Rechtsanwalt?
Natürlich kann der Geschädigte es selber in die Hand nehmen, seine Schadensersatzansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners geltend zu machen. Er steht hierbei allerdings vor dem Problem, dass er – wenn er nicht gerade selber Jurist ist – nicht überblicken kann, welche Ansprüche ihm aufgrund des Unfalles rechtlich im Einzelnen zustehen. Es empfiehlt sich einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen. Dass der Sachschaden am Fahrzeug selber zu ersetzen ist, versteht sich von selbst. Daneben können sich im Zusammenhang mit einer Unfallregulierung aber eine Fülle von anderen Rechtsproblemen stellen. Im folgenden seien lediglich beispielhaft einige Fragen angesprochen, die erfahrungsgemäß bei der Regulierung von Unfallschäden immer wieder auftreten:
Darf der Geschädigte selber einen Kfz-Sachverständigen mit der Schätzung seines Schadens beauftragen?
In der Rechtsprechung ist vollkommen anerkannt, dass der Geschädigte das Recht hat, zur Feststellung seines Schadens selber einen Sachverständigen seines Vertrauens zu beauftragen. Die Kosten der Begutachtung sind als Schadensposition von der Versicherung des Schädigers zu übernehmen. Eine Einschränkung erfährt dieses Recht des Geschädigten nur in einem einzigen Fall, nämlich bei einem sogenannten Bagatellschaden. Bei Vorliegen eines solchen Bagatellschadens (aber auch nur in diesen Fall!) verstößt die Beauftragung eines Sachverständigen gegen die gesetzlich bestehende sogenannte Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Der Begriff des „Bagatellschadens“ darf aber nicht zu weit verstanden werden: ein Bagatellschaden wird von der ganz überwiegenden Rechtsprechung nur dann angenommen, wenn der Schaden erkennbar unter DM 1.000.00 liegt. „Erkennbar“ bedeutet hier im übrigen Erkennbarkeit für den durchschnittlichen Geschädigten, besondere Kenntnisse in Kfz-Fragen werden also nicht vorausgesetzt. Folglich ist es auch durchaus möglich, dass ein Schaden, der nach Aussage des Sachverständigen unter DM 1.000.00 liegt, trotzdem kein Bagatellschaden im Sinne der Rechtsprechung ist, eben weil dies für den Laien nicht erkennbar gewesen ist.
Da der Geschädigte grundsätzlich das Recht hat, einen Kfz-Sachverständigen seines Vertrauens zu beauftragen, kann die Versicherung des Unfallgegners im übrigen die Übernahme der Kosten auch nicht mit der Begründung verweigern, ein Sachverständigengutachten sei überhaupt nicht erforderlich gewesen, etwa weil die Versicherung auch den Kostenvoranschlag einer Werkstatt anerkannt hätte. Gleichfalls kann die Versicherung auch nicht einwenden, sie hätte statt dessen einen eigenen Sachverständigen beauftragt, weil der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die Feststellung seines Schadens der Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners zu überlassen.
Sofern das Schadensgutachten von einem anerkannten Sachverständigen erstellt wurde, so bereitet es im übrigen erfahrungsgemäß keine Probleme, die Schäden auf der Grundlage des Gutachtens zu regulieren. Wenn nicht ausnahmsweise erkennbar ein Bagatellschaden vorliegt, empfiehlt sich für den Geschädigten auch grundsätzlich die Beweissicherung durch ein Schadensgutachten.
Gibt es einen Geldersatz dafür, dass der Geschädigte nun einen Unfallwagen hat?
Grundsätzlich besteht ein zu ersetzender Schaden auch in einer nach einer Reparatur des Fahrzeugs verbleibenden Wertminderung, die zur Folge hat, dass bei einem Wiederverkauf nur ein geringerer Preis zu erzielen ist. Allerdings scheidet ein Ersatz für Wertminderung in der Regel aus bei älteren Kraftfahrzeugen (Grenze ungefähr bei 5 Jahren) sowie dann, wenn bereits erhebliche Vorschäden vorhanden waren oder wenn durch den Unfall lediglich geringfügige Schäden („Blechschäden“) eingetreten sind. Im übrigen wird gerade diese Schadensposition des merkantilen Minderwerts von den Versicherungen gerne unberücksichtigt gelassen, wenn der Geschädigte, der die Unfallregulierung ohne Anwalt selber betreibt, diesen Anspruch aus Unkenntnis nicht geltend macht und auch kein Sachverständigengutachten erstellt wurde, in dem eine etwaige Wertminderung festgestellt ist.
Darf ein Geschädigter sich für die Zeit der Reparatur einen Mietwagen nehmen?
Dem Geschädigten entsteht auch dadurch ein zu ersetzender Schaden, dass er sein Fahrzeug während der Dauer einer Reparatur nicht wie gewohnt nutzen kann. Nimmt der Geschädigte sich in dieser Zeit einen Mietwagen, so sind die entstehenden Kosten grundsätzlich vom Schädiger zu ersetzen. Der Anspruch besteht solange, wie die Reparatur dauert. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich die Reparatur ungewöhnlich verzögert, solange dies den Geschädigten nicht vorgeworfen werden kann (Verzögerungen im Bereich der Werkstatt gehen grundsätzlich nicht zu Lasten des Geschädigten!). Wenn das Fahrzeug nicht zu reparieren ist, weil ein Totalschaden vorliegt, so besteht der Anspruch auf einen Mietwagen im übrigen für einen solchen Zeitraum, in dem üblicherweise ein gleichwertiges Fahrzeug am Gebrauchtwagenmarkt wieder beschafft werden kann. Die Schadensgutachten der Sachverständigen enthalten bei Totalschäden regelmäßig auch eine Angabe über diese sogenannte Wiederbeschaffungsdauer.
Bei der Auswahl des Mietwagens muss der Geschädigte allerdings besonders aufpassen, will er sich nicht hinterher von der Versicherung seines Unfallgegners entgegenhalten lassen, er habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. So sollte darauf geachtet werden, dass ein Fahrzeug des gleichen Typs gemietet wird. Vorsicht ist auch geboten im Hinblick auf unterschiedliche Preise der Autovermieter. Die Linie der Rechtsprechung lässt sich hier in ungefähr so zusammenfassen: der Geschädigte ist zwar nicht verpflichtet, den ganzen Mietwagenmarkt nach den billigsten Angebot zu erforschen, ein Preisvergleich durch (auch telefonische) Einholung von zwei oder drei Angeboten ist jedoch zumutbar.
Vorsicht auch vor sogenannten „Unfallersatztarifen“! Zahlreiche Autovermieter bieten neben dem Normaltarif auch einen – teueren – sogenannten Unfallersatz tarif an. Nun hat der Bundesgerichtshof inzwischen zwar klargestellt, dass der Geschädigte, da er eben nicht zur Markterforschung verpflichtet ist, nicht gegen seine Pflicht zur Schadensminderung verstößt, wenn er sich nicht danach erkundigt, ob es neben den Unfalltarif einen anderen günstigeren Tarif gibt. Allerdings gibt es durchaus auch verschiedene Instanzgerichte, die in dieser Frage anders entschieden haben. Wer hier kein Risiko eingehen möchte, sollte sich daher auch erkundigen, ob es nicht eine preiswertere Alternative gibt, wenn ihm der Autovermieter den Unfalltarif anbietet.
Im übrigen muss der Geschädigte natürlich nicht unbedingt einen Mietwagen in Anspruch nehmen. Tut er dies nicht, so besteht stattdessen für die selbe Zeit ein Anspruch auf Geldersatz für den Nutzungsausfall nach bestimmten Pauschalsätzen. Der Rechtsanwalt verfügt über Tabellen, aus denen ersehen werden kann, welcher Betrag pro Tag Nutzungsausfall für den jeweiligen Fahrzeugtyp zu bezahlen ist.
Die Beispiele machen deutlich, welche rechtlichen Probleme in einer Unfallregulierung „stecken“ können. Es liegt auf der Hand, dass der Geschädigte, der die Schadensregulierung ohne Rechtsanwalt betreibt, Gefahr laufen kann, dass einzelne Schadenspositionen allein deshalb nicht ersetzt werden, weil der Geschädigte nicht weiß, dass ihm dieser oder jener Anspruch eigentlich auch zugestanden hätte. Die Unfallregulierung durch den Rechtsanwalt bietet die Gewähr dafür, dass berechtigte Ansprüche gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung auch geltend gemacht und durchgesetzt werden.
FAZIT:
Nach einem Verkehrsunfall umgehend einen Rechtsanwalt mit der Schadensregulierung beauftragen! Nicht irritieren lassen von „gutgemeinten“ Ratschlägen oder gar versteckten Drohungen der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners.

Rechtsanwälte DR. Breuer